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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.12.2003
Aktenzeichen: 10 TaBV 164/03
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG
Vorschriften:
BetrVG § 112 Abs. 2 | |
ArbGG § 98 |
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 24.10.2003 - 2 BV 39/03 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
Der antragstellende Arbeitgeber stellt Küchenmöbel her und beschäftigte zuletzt ca. 90 Mitarbeiter.
Im Betrieb des Arbeitgebers ist ein Betriebsrat, der Beteiligte zu 2), gebildet.
Im Herbst 2003 trafen die Gesellschafter des Arbeitgebers die Entscheidung, den operativen Geschäftsbetrieb zum 31.03.2004 einzustellen und sämtlichen Arbeitnehmern zu kündigen, nachdem in den Jahren 2000, 2001 und 2002 Verluste in Höhe von 5,75 Millionen Euro, 3,2 Millionen Euro und 2,45 Millionen Euro aufgetreten waren und eine Vorschau für das Jahr 2003 einen Verlust in Höhe von 4,04 Millionen Euro ergab.
Der Arbeitgeber trat daraufhin in Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplanes ein. Entsprechende Verhandlungen fanden am 23.09.2003, 02.10.2003 und 09.10.2003 statt. Im Verhandlungstermin vom 02.10.2003 wurde dem Betriebsrat ein Konzept für einen Interessenausgleich und Sozialplan überreicht.
Der Betriebsrat war zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich zwecks Betriebsschließung und Sozialplan nicht bereit, sondern vertrat die Auffassung, der Betrieb des Arbeitgebers könne als Zuliefererbetrieb Einzelteile weiter produzieren, eine Beratungsgesellschaft ISA solle ein entsprechendes Konzept erarbeiten. Hierzu fand sich der Arbeitgeber nicht bereit, da er beabsichtigte, den Betrieb definitiv zum 31.03.2004 stillzulegen.
Nachdem die Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat über eine beabsichtigte Betriebsschließung definitiv gescheitert waren, beantragte der Arbeitgeber mit dem am 10.10.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Einrichtung einer Einigungsstelle. Der Antrag wurde dem Betriebsrat am 17.10.2003 zugestellt.
Mit Schreiben vom 23.10.2003 ersuchte der Betriebsrat den Präsidenten des Landesarbeitsamtes um Vermittlung gemäß § 112 Abs. 2 BetrVG.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die beantragte Einigungsstelle müsse eingerichtet werden, nachdem der Beschluss des Arbeitgebers über die Stilllegung des Betriebes nicht mehr abänderbar sei und darüber auch nicht mehr verhandelt werde. Die Bitte des Betriebsrates an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes sei erst erfolgt, nachdem vom Arbeitgeber der Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden vorgelegen habe. Offenbar gehe es dem Betriebsrat lediglich darum, das Einigungsstellenverfahren zu verzögern.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
1. Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Peter Schmidt zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich wegen Betriebsstilllegung zum 31.03.2004" zu bestellen,
1. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer für die in Antrag Ziffer 1 erwähnte Einigungsstelle auf zwei Mitglieder zu begrenzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. die Anträge zurückzuweisen,
1. hilfsweise Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamm Peter Schmidt zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan Betriebsreduzierung" zu bestellen,
1. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf vier festzusetzen,
1. äußerst hilfsweise Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamm Peter Schmidt zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan wegen Betriebsschließung zum 31.03.2004" zu bestellen,
1. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf vier festzusetzen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Anrufung der Einigungsstelle sei wegen Einschaltung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes unzulässig. Solange der Vermittlungsversuch des Präsidenten des Landesarbeitsamtes dauere, könne keine Stelle die Einigungsstelle anrufen.
Im Übrigen habe der Betriebsrat ein Gegenkonzept zur geplanten Betriebsschließung entwickelt. Dieses solle durch die Beratung eines Sachverständigen der Firma I1x-C1xxxxx GmbH in wirtschaftlicher Hinsicht untermauert werden. Der Arbeitgeber habe allerdings hierzu seine Zustimmung verweigert. Da der Arbeitgeber zu Verhandlungen hierüber nicht bereit sei, habe der Betriebsrat die Verhandlungen seinerseits für gescheitert erklärt und beabsichtige, in der Einigungsstelle auch diese Betriebsänderung weiterzuverhandeln.
Durch Beschluss vom 24.10.2003 hat das Arbeitsgericht die beantragte Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan wegen Betriebsstilllegung zum 31.03.2004" eingerichtet und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die gesetzliche Regelung des § 112 Abs. 2 BetrVG die Anrufung der Einigungsstelle nicht ausschließe. Da das Ersuchen an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes erst ergangen sei, nachdem der Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden zugestellt worden sei, müsse dem Antrag stattgegeben werden. Begründet sei auch der weitergehende Antrag des Betriebsrates, über einen Sozialplan zu verhandeln. Die Zahl der Beisitzer sei mit zwei auf jeder Seite angemessen.
Gegen den dem Betriebsrat am 28.10.2003 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat mit dem am 11.11.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
Auf die Bitte des Betriebsrates um Vermittlung teilte der Präsident des Landesarbeitsamtes mit Schreiben vom 30.10.2003 (Bl. 34 d.A.) mit, dass er zunächst die Geschäftsleitung des Arbeitgebers bitten werde, mitzuteilen, ob Bereitschaft zur Teilnahme an einem Vermittlungsgespräch bestehe. Der Arbeitgeber teilte daraufhin mit Schreiben vom 03.11.2003 (Bl. 35 ff.d.A.) mit, dass die Gesellschafter des Arbeitgebers einen unabänderbaren Stilllegungsbeschluss getroffen hätten, der umzusetzen sei, der Stilllegungsbeschluss werde definitiv nicht rückgängig gemacht; vor diesem Hintergrund werde ein Vermittlungsgespräch als von vornherein zum Scheitern verurteilt angesehen; eine Bereitschaft zur Teilnahme an einem Vermittlungsgespräch sei aus diesem Grunde nicht vorhanden.
Der Präsident des Landesarbeitsamtes teilte dem Betriebsrat daraufhin mit Schreiben vom 12.11.2003 mit, dass er keine Möglichkeit sehe, vermittelnd tätig zu werden, nachdem feststehe, dass seitens des Arbeitgebers keine Bereitschaft zur Teilnahme an einem Vermittlungsgespräch bestehe.
Der Betriebsrat ist nach wie vor der Auffassung, dass die Anrufung der Einigungsstelle unzulässig sei, solange der Präsident des Landesarbeitsamtes versuche, vermittelnd zwischen den Beteiligten tätig zu werden. Der Vermittlung durch das Landesarbeitsamt dürfe der Arbeitgeber sich auch nicht verschließen; er sei verpflichtet, sich auf den Vermittlungsversuch des Präsidenten des Landesarbeitsamtes einzulassen.
Im Übrigen habe sich das Arbeitsgericht nicht mit den Hilfsanträgen des Betriebsrates auseinandergesetzt. Im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen müsse sich der Arbeitgeber auch auf Verhandlungen einlassen, die das "ob" der Betriebsänderung betreffe.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 24.10.2003 - 2 BV 39/03 - abzuändern und
1. den Antrag des Arbeitgebers abzuweisen,
hilfsweise,
Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Peter Schmidt zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan Betriebsreduzierung" zu bestellen und die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf vier festzusetzen,
2. dem Arbeitgeber aufzugeben, sich an einem Vermittlungsgespräch mit dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen zu beteiligen und auf eine Vermittlung einzulassen,
3. das Verfahren wegen der Entscheidung über die Errichtung der Einigungsstelle auszusetzen.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, die Einigungsstelle sei zu Recht eingerichtet worden. Der Betriebsrat setze alles daran, die Betriebsstilllegung, die unwiderruflich sei, zu verzögern; zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan sei der Betriebsrat nicht bereit.
Der Präsident des Landesarbeitsamtes könne den Arbeitgeber auch nicht verpflichten, von einem Stilllegungsbeschluss Abstand zu nehmen und in Zukunft auf einem anderen Geschäftszweig unternehmerisch tätig zu werden. Ein entsprechendes Vermittlungsgespräch sei von vornherein zum Scheitern verurteilt. Insoweit sei der Weg zur Einigungsstelle trotz der - verspäteten - Anrufung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes offen. Die Verzögerungsversuche des Betriebsrates seien nicht durch § 112 Abs. 2 BetrVG gedeckt.
Nachdem sich der Betriebsrat nochmals an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes gewandt hatte, hat dieser inzwischen einen Termin zu einem Vermittlungsgespräch zwischen den Beteiligten auf den 18.12.2003 anberaumt. Eine Vorverlegung dieses Termins scheiterte wegen Verhinderung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates gegen den angefochtenen Beschluss ist unbegründet.
I
Die Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig. Sie ist an sich statthaft und auch form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt worden, § 98 Abs. 2, 87 Abs. 2, 89 ArbGG.
Der Umstand, dass die Beschwerdeschrift des Betriebsrates vom 11.11.2003 keinen förmlichen Antrag enthält, führt nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde.
Zwar muss auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Beschwerdebegründung einen Beschwerdeantrag enthalten. Das folgt aus den §§ 98 Abs. 2 Satz 3, 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (BAG, Beschluss vom 03.12.1985 - AP BAT § 74 Nr. 2; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 89 Rz. 26). Das Fehlen eines besonderen Antrages ist aber dann unschädlich, wenn sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung bestimmen lassen (BAG, Urteil vom 22.05.1985 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 6; BAG, Beschluss vom 22.10.1985 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 24; BAG, Urteil vom 20.06.1989 - AP HGB § 87 Nr. 8; BGH, Urteil vom 13.11.1991 - NJW 1992, 698; BGH, Beschluss vom 15.02.1995 - NJW 1995, 2112 m.w.N.). So liegt der vorliegende Fall. Aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 11.11.2003 und der gleichzeitigen Beschwerdebegründung ergibt sich, dass der Betriebsrat die Abweisung des Antrages des Arbeitgebers erreichen will. Zugleich hat er gerügt, dass das Arbeitsgericht sich nicht mit dem ersten Hilfsantrag des Betriebsrates auseinandergesetzt habe. Damit ist mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, welche Änderung des angefochtenen Beschlusses vom Betriebsrat erstrebt wird. Dies ist für die Zulässigkeit der Beschwerde ausreichend.
II
Die Beschwerde des Betriebsrates ist jedoch unbegründet.
1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben und die begehrte Einigungsstelle eingerichtet.
a) Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - 10 TaBV 85/03 - NZA-RR 2003, 637 m.z.w.N.).
b) Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass die einzurichtende Einigungsstelle jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig ist. Die vom Arbeitgeber beabsichtigte Betriebsschließung stellt eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Auch die vom Betriebsrat beabsichtigte Fortführung des Betriebes in geänderter Form wäre mitbestimmungspflichtig. Sie stellt nämlich eine Einschränkung des Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Dies ist unter den Beteiligten auch unstreitig.
c) Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren allein um die Unzuständigkeit der Einigungsstelle solange noch ein Vermittlungsverfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG läuft. Hierzu hat das Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass Vermittlungsversuche des Präsidenten des Landesarbeitsamtes nach § 112 Abs. 2 BetrVG die Anrufung der Einigungsstelle nicht ausschließen.
Auch nach Auffassung der Beschwerdekammer liegt eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle auch dann nicht vor, wenn der Präsident des Landesarbeitsamtes um Vermittlung gemäß § 112 Abs. 2 BetrVG ersucht worden ist. Die Anrufung der Einigungsstelle durch einen der Beteiligten ist auch möglich, wenn der andere Beteiligte den Präsidenten des Landesarbeitsamtes nach § 112 Abs. 2 BetrVG um Vermittlung ersucht hat. Dies ist die ganz herrschende Auffassung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der arbeitsgerichtlichen Literatur (LAG Bremen, Beschluss vom 20.09.1983 - 4 TaBV 104/83 -; Richardi/Annuß in Richardi, BetrVG, 8. Aufl., § 112 Rz. 225; Fabricius/Oetker, GK-BetrVG, 7. Aufl., §§ 112, 112 a Rz. 200, 201; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG, 6. Aufl., § 112 Rz. 70, Friedemann, Das Verfahren der Einigungsstelle, 1997, Rz. 36). Zwar wird auch vertreten, dass keine Seite die Einigungsstelle anrufen könne, solange der Vermittlungsversuch des Präsidenten des Landesarbeitsamtes dauere (Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., §§ 112, 112 a Rz. 33). Dieser auch vom Betriebsrat vertretenen Auffassung vermag die Beschwerdekammer jedoch nicht beizutreten.
Nach der durch § 112 Abs. 2 Satz 1 eröffneten Möglichkeit, den Präsidenten des Landesarbeitsamtes um eine Vermittlung zu ersuchen, wird keine Verpflichtung begründet, vor Anrufung der Einigungsstelle den Präsidenten des Landesarbeitsamtes um Vermittlung zu ersuchen. Die Antragstellung nach § 112 Abs. 2 BetrVG steht im bloßen Ermessen der Beteiligten. Aus § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG folgt ferner, dass die vorherige Anrufung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes keine förmliche Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle ist (Fabricius/Oetker, a.a.O., §§ 112, 112 a Rz. 200; so auch: Fitting, a.a.O., §§ 112, 112 a Rz. 31 m.w.N.). Das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG ist fakultativ, sein Ergebnis braucht nicht abgewartet zu werden, bevor nach § 98 ArbGG vom Gericht ein Einigungsstellenvorsitzender bestellt werden kann (LAG Bremen, Beschluss vom 20.09.1983 - a.a.O., ErfK, Hanau/Kania, 3. Aufl., § 112 BetrVG Rz. 7). Lediglich die Anrufung der Einigungsstelle, nicht ein Ersuchen nach § 112 Abs. 2 BetrVG ist für den Arbeitgeber erforderlich, um Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG zu vermeiden (BAG, Urteil vom 18.12.1984 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 11).
Auch die in § 112 Abs. 2 Satz 3 BetrVG enthaltene Regelung spricht gegen die vom Betriebsrat vertretene Auffassung, wonach die Einrichtung der Einigungsstelle derzeit unzulässig sei. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt nämlich der Präsident des Landesarbeitsamtes auch an den Verhandlungen der Einigungsstelle teil. Damit kann die Sachkompetenz des Präsidenten des Landesarbeitsamtes auch in das Einigungsstellenverfahren eingebracht werden.
Schließlich folgt auch aus dem durch § 98 ArbGG zum Ausdruck gekommenen Beschleunigungsgrundsatz, dass die Einigungsstelle nicht durch die Einschaltung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes nach § 112 Abs. 2 BetrVG ausgeschlossen ist. Bei dem Bestellverfahren nach § 98 ArbGG handelt es sich um eine Verfahrensart, die besonders zu beschleunigen ist. Dies ergibt sich schon aus den verkürzten Einlassungs- und Ladungsfristen nach § 98 Abs. 1 Satz 4 ArbGG, aus der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit und den verkürzten Zustell- und Beschwerdefristen, § 98 Abs. 1 Satz 6 und § 98 Abs. 2 ArbGG. Das Verfahren ist darauf angelegt, den Betriebspartnern im Bedarfsfalle beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung zu stellen (LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - NZA-RR 2003, 637 m.w.N.). Dieses Ziel könnte nicht erreicht werden, wenn die Anrufung der Einigungsstelle ausgeschlossen wäre, solange ein Vermittlungsversuch des Präsidenten des Landesarbeitsamtes dauert.
Ob die Anrufung der Einigungsstelle durch den Arbeitgeber eine Sperrwirkung für ein Vermittlungsverfahren durch den Präsidenten des Landesarbeitsamtes entfaltet (vgl. Fabricius/Oetker, a.a.O., §§ 112, 112 a Rz. 201 BetrVG), war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die vom Arbeitgeber begehrte Einigungsstelle ist jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig.
d) Gegen die Person des vom Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden bestehen keine Bedenken. Bei dem vom Arbeitsgericht bestellten Vorsitzenden handelt es sich um einen fachkundigen und fähigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der über weitreichende Erfahrungen als Einigungsstellenvorsitzender verfügt.
Die Zahl der vom Arbeitsgericht festgesetzten Beisitzer je Seite ist in der Beschwerdeinstanz von den Beteiligten nicht mehr streitig. Sie entspricht der Regelbesetzung einer Einigungsstelle (vgl. statt aller: LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - NZA-RR 2003, 637).
Soweit der Betriebsrat mit seinen Gegenanträgen die Besetzung der Einigungsstelle mit je vier Beisitzern verlangte, ist die Beschwerde des Betriebsrates unzulässig. Sie enthält nämlich insoweit keine Beschwerdebegründung, §§ 98 Abs. 2 Satz 2, 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG.
2. Auch dem im Beschwerderechtszug gestellten Hilfsantrag des Betriebsrates sowie den weiteren Anträgen des Betriebsrates konnte nicht stattgegeben werden.
a) Soweit der Betriebsrat mit dem Hilfsantrag die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan Betriebsreduzierung" verlangte, ist dieser Antrag unbegründet. Die Einigungsstelle ist mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan wegen Betriebsstilllegung zum 31.03.2004" eingerichtet worden. Dieser Regelungsgegenstand "Betriebsstilllegung" setzt notwendigerweise voraus, dass sich die Einigungsstelle damit befasst, ob der Betrieb des Arbeitgebers überhaupt stillgelegt wird. Die Einigungsstelle wird sich zwingend im Rahmen des Regelungsgegenstandes "Betriebsstilllegung" auch damit zu befassen haben, ob der Betrieb des Arbeitgebers in reduziertem oder eingeschränktem Umfange aufrechterhalten werden kann. Der Regelungsgegenstand "Betriebsstilllegung" enthält denknotwendigerweise auch den Regelungsgegenstand "Betriebsreduzierung".
b) Der weitere Antrag des Betriebsrates, dem Arbeitgeber aufzugeben, sich an einem Vermittlungsgespräch mit dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes zu beteiligen und auf eine Vermittlung einzulassen, erweist sich bereits als unzulässig.
Im Einigungsstellenbesetzungsverfahren nach § 98 ArbGG, das lediglich die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle überprüft und einem besonderen Beschleunigungsgrundsatz unterliegt, können vom Antragsgegner nicht gleichzeitig weitergehende Anträge gestellt werden (LAG Hamm, Beschluss vom 07.07.2003 - NZA-RR 2003, 637 m.w.N.). Abgesehen davon, ob der Antrag des Betriebsrates überhaupt genügend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist und ob er überhaupt vollstreckbar ist, ergibt sich die Unzulässigkeit des Antrages bereits daraus, dass das Begehren des Betriebsrates nicht im Verfahren nach § 98 ArbGG überprüft werden kann. Das Begehren des Betriebsrates müsste in einem Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 ff. ArbGG ausgetragen werden, welches vom vorliegenden Verfahren zur Entscheidung über die Besetzung einer Einigungsstelle nach § 98 Abs. 1 ArbGG zu unterscheiden ist. Dieses Verfahren nach § 98 ArbGG ist, worauf bereits hingewiesen worden ist, ein Beschlussverfahren der besonderen Art. In diesem Verfahren nach § 98 ArbGG ist der Vorsitzende zur Alleinentscheidung berufen. Daher ist kein Raum für Anträge, die im Beschlussverfahren nach den §§ 80 ff. ArbGG von der Kammer zu entscheiden sind. Dem Beschleunigungsgrundsatz widerspräche es, wenn in dem Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG weitere, ggf. schwierigere Rechtsfragen mitentschieden werden müssten. Die Frage der Verpflichtung der Beteiligung eines Betriebspartners am Vermittlungsversuch nach § 112 Abs. 2 BetrVG kann nicht im Verfahren nach § 98 ArbGG beantwortet werden, auch wenn ein - allenfalls mittelbarer - Zusammenhang zwischen dem Einigungsstellenbesetzungsverfahren nach § 98 ArbGG und der Einschaltung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes gemäß § 112 Abs. 2 BetrVG nicht verneint werden kann.
c) Schließlich konnte auch dem Aussetzungsantrag des Betriebsrates nicht stattgegeben werden. Auch dies folgt aus den obigen Ausführungen. Das Vermittlungsverfahren durch den Präsidenten des Landesarbeitsamtes nach § 112 Abs. 2 BetrVG ist gegenüber dem Verfahren über die Besetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG nicht vorgreiflich. Zur Begründung kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.
Ende der Entscheidung
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